Munterrichtsmethode 79: Ahnungslose Profi-Amateure

Sie steigen in ein neues Fachthema ein. Lernpsychologisch können Sie dabei zwei Wege einschlagen. Einen königlichen und einen landläufig praktizierten.

Fangen wir mit letzterem (und leider häufig genutzten!) an: Sie nennen das Thema und erzählen dazu. Können Sie machen. Geht aber besser.

„Knüpfen Sie früh an die Kenntnisse und Erfahrungen der Lernenden an“, lautet ein Haupteinflussfaktor auf Lernerfolg. Mit Munterrichtsmethode 79 „Ahnungslose-Profi-Amateure“ zeige ich Ihnen einen einfachen Weg, mit dem dies charmant (und lerntechnisch königlich!) gelingen kann.

Wir stellen uns vor, Sie führen einen Kurs zum Thema „Finanzen“ durch. Dazu sammeln Sie bei der Vorbereitung zentrale Begriffe, mit denen Sie sich heute oder in den nächsten Lerneinheiten beschäftigen werden. Zum Beispiel: „Inflation“, „ETF“, „Notgroschen“, „Einlagensicherung“, „Klumpenrisiko“ und „Festgeld“. Visualisieren Sie die Begriffe bunt gemischt. So, dass Sie den Lernenden die Sammlung nachher zeigen können.

Jetzt begrüßen Sie Ihre Gruppe: „Schön, dass Sie da sind. Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema Finanzen. Wir werden wichtige Grundbegriffe anschauen. Zum Einstieg bitte ich Sie, ein Blatt Papier zu schnappen oder eine leere Seite in Ihrem Tablet zu öffnen. Bitte legen Sie drei Spalten an:

• Als Überschrift in der linken Spalte schreiben Sie „Ahnungslos“. Hierhin kommen alle Begriffe, bei denen Sie sagen: „Ganz ehrlich, da habe ich keine Ahnung!“ Das ist o.k. Wir sind ja hier, um zu lernen. 😊
• In der mittleren Spalte notieren Sie „Amateur“. Hier landen alle Begriffe, mit denen Sie sich schon ein wenig auskennen, von denen Sie eine Idee haben.
• Und Spalte 3 bekommt den Titel „Profi“. Dort ist Platz für die Themen, in denen Sie sich schon sicher und wendig fühlen.

Auf dem Chart vorne sehen Sie ein paar Begriffe zu unserem Finanzthema. Schauen Sie sich die Fachwörter an. Notieren Sie – jede und jeder für sich – die Begriffe in der für Sie passenden Spalte. Schauen Sie nicht, was Ihre Nachbarinnen und Nachbarn tun. Verteilen Sie die Worte ganz selbstbewusst so, wie es für Sie gut passt.“

Nach ein paar Augenblicken bitten Sie die Lernenden, sich zu zweit über die befüllten Spalten auszutauschen: „Plaudern Sie über Ihre Tabelle. Haben Sie die Begriffe ähnlich verteilt? Oder gibt es Unterschiede? Wenn ja, erzählen Sie sich von Ihren Vermutungen, Ihrem Wissen zu Begriffen in der Amateur- oder in der Profi-Spalte.“

Nach ein paar (sehr wertvollen!) Minuten, bitten Sie die Teilnehmenden, zum Ende zu kommen. Nun können die Lernenden im Plenum Erfahrungen und Kenntnisse zu den verschiedenen Begriffen teilen. Und schwupp die wupp sind Sie mittendrin im Thema.

Das Wirkungsvolle daran:

• Lernen bedeutet immer, das Neue mit dem Vorhandenen zu verknüpfen. „Ahnungslose Profi-Amateure“ ermöglicht das in kurzer Zeit. Alle Lernenden setzen sich mit ihrem Vorwissen zu den Fachinhalten auseinander.
• Die drei Spalten machen die unterschiedlichen Ausgangslagen sichtbar. Rasch erfährt die Gruppe, zu welchen Begriffen Profis in den eigenen Reihen sind. Sie können das Know-How der Lernenden nutzen gemäß dem didaktischen Prinzip: „Weniger machen – mehr machen lassen.“
• Die drei Überschriften bringen eine Portion Leichtigkeit ins Seminar. Wie schön, einmal ganz offen „ahnungslos“ sein zu können. 😊

Viel Spaß beim Ausprobieren in Ihren Seminaren.

Weitere hilfreiche Wege, mit denen Sie an die Kenntnisse und Erfahrungen der Lernenden anknüpfen können, sind: „Modelle orakeln“, „Stimmt’s oder stimmt’s nicht?“ und „6 Richtige“.

„Das Feedback von Harald und meiner tollen Gruppe haben mir sehr geholfen die Qualität meiner Seminare zu erhöhen.“

Martin Albrecht, Techniker Krankenkasse, Absolvent Orbium Trainerausbildung Kurs 8