Wie viel Planung ist nützlich für das Seminar?

Train the Trainer Tipp – Finden Sie das jeweils passende Format

„Wie bereitest du dich auf Workshops vor?“, fragte Tim Richter, Spezialist für Unternehmensnachfolge, auf Linkedin diese Woche. Machst du einen genauen Plan mit einem definierten Plot? Definierst du Zwischenziele? Oder lässt du dich auf den Prozess ein?

Der Beitrag von Tim Richter wurde viel diskutiert. Er hat mich inspiriert, ein für mich hilfreiches Bild zu posten, das ich in der Train the Trainer Ausbildung zeige, wenn es um die Planungsfrage geht.

Drei Kursformate

Schauen Sie sich die drei Kursformate in der Skizze an, bevor Sie weiterlesen.

Hier kommen ein paar Gedanken zu jedem Format:

Format A: das planorientierte

Beim geplanten Format A bereiten Sie – passend zu den gesetzten Zielen – ein Programm vor. Hier ist ein Drehbuch mit einer detaillierten Zeit- und Schrittplanung sehr nützlich. Im Seminar stellen Sie den Teilnehmenden das Vorhaben vor. Und setzen es genau so um. Das planorientierte Format ist zum Beispiel gefragt, wenn mehrere Gruppen von Auszubildenden verlässlich das gleiche Lernprogramm bekommen sollen. Format A empfehle ich allen Anfängerinnen und Anfängern im Trainingsgeschäft: Setzten Sie Ziele, entwickeln Sie einen Ablauf und setzen Sie diese um. Die freieren Formate können Sie später nutzen.

Format B: das teilstrukturierte

Beim teilstrukturierten Format B haben die Lernenden an einzelnen Stellen Gestaltungsspielraum. Sie können wählen, ob sie zum Beispiel eine Vertiefung zu X oder Y wollen. In einem längeren Seminar können Sie auch eine „Wunscheinheit“ anbieten. Zeit, in der es um die Anliegen der Teilnehmenden geht. Viele Lernende freuen sich, wenn sie mitentscheiden können, wenn sie im Seminar Autonomiespielraum haben.

Format C: das prozessorientierte

Das offene Format C lebe von den Interessen und Fragen der Lernenden. Aus ihren Anliegen zimmern Sie das Programm. Dieses Format ist in Seminaren und Workshops mit Lernenden, die im Thema bereits erfahren sind und Spezialfragen haben, prima. Bei diesem Format arbeiten Sie natürlich ohne Drehbuch und Zeitplanung. Beides entsteht im Prozess, den Sie als Moderator, als Moderatorin steuern. Hier verändert sich Ihre Rolle deutlich.

Es gibt kein besseres und kein schlechteres Format. Die Aufgabe liegt auch hier darin, die jeweils passende Form auszuwählen. Häufig werden in einem Seminar auch mehrere Formen sinnvoll genutzt. Nach einem Einführungsteil im planorientierten Format A folgt ein Modul, in dem die Teilnehmenden im teilstrukturierten Format B eine Themenauswahl haben. Und in der letzten Einheit folgt eine Sequenz im offenen Format C: Jetzt werden Fälle und Fragen bearbeitet.

Wichtig ist, und das üben wir in den Train the Trainer Ausbildungen in Berlin, dass die Trainerinnen und Trainer sich darüber im Klaren sind, mit welchem Format sie zu welcher Zeit arbeiten wollen und den Teilnehmenden entsprechende Signale geben.

Ein Beispiel: In meinem Studium vor fast 30 Jahren habe ich zu Semesterbeginn immer wieder folgende Szene erlebt. Die Professorinnen und Professoren fragten uns, welche Erwartungen wir an dieses Fach in diesem Semester haben. Wir haben unsere Anliegen auf Karten geschrieben, diese angepinnt und vorgestellt. Als alle Studierenden gehört waren, drehte der Professor die Pinnwand um, zeigte ein Semesterprogramm und sagte: „In diesem Semester machen wir das!“ Als Student hat mich das schon geärgert. Ich dachte: „Warum fragst du uns, wenn du klar weißt, was wir hier machen werden?“ Durch meine Skizze wurde für mich viele Jahre später die Problematik sichtbar: Angekündigt wurde uns damals ein Kurs im Format C – prozessorientiert. Bekommen haben wir aber ein Semester im Format A – planorientiert. Angehenden Lehrenden empfehle ich daher: Frag nicht nach den Erwartungen, wenn du mit Format A arbeitest. Frage dann vielleicht, was die Lernenden von den geplanten Punkten besonders interessiert.

Je klarer wir also als Trainerinnen und Trainer sind, mit welchem Ansatz wir zu welcher Zeit arbeiten wollen, desto passendere Signale können wir geben. Und wenn Signale und Ansatz übereinstimmen, kann es gut werden.

Wie ist es bei Ihnen?

  • Gibt es ein Format, das Sie bislang häufig nutzen?
  • Welches Format passt für Ihre Vorhaben am besten?
  • Mit welchem Format könnten Sie in nächster Zeit einmal experimentieren?

Viele weitere didaktische Praxisanregungen finden Sie in meinem neuen Buch „Lernwirksame Seminare entwickeln und durchführen“ aus dem GABAL-Verlag.

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